Durchhaltevermögen gefragt

Die Corona-Krise wirft bei Anlegern viele Fragen auf.

Dr. Gregor Broschinski, Vorstand der Sparkasse Düren, gibt Antworten.

Bei der aktuellen Kursentwicklung drängen sich Parallelen zur Finanzmarktkrise auf. Heißt es für Anleger wieder „Augen zu und durch“?
Wer in der Finanzkrise nach diesem Motto gehandelt hat, hat richtig gehandelt. Denn auf jeden Einbruch folgte eine deutliche Erholung innerhalb der nächsten Jahre. Das erwarten wir auch dieses Mal.

Wann werden denn wohl die Verluste an den Börsen wieder aufgeholt sein?
In 80 Prozent aller Fälle der letzten 30 Jahre waren die Verluste nach zwei Jahren wieder aufgeholt. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende und nach der Finanzkrise hat es länger gedauert, nämlich mehr als fünf Jahre. Wir rechnen in der Corona-Krise damit, dass der Erholungszeitraum dazwischen liegt.

Hat sich die Situation inzwischen etwas entspannt? Die Märkte haben sich ja schon ein Stück weit erholt.
Ja, die Hälfte der Verluste seit dem Corona-Crash sind an einigen Börsen bereits wieder wettgemacht. Aber die Entwicklung ist noch nicht am Schlusspunkt. Die Erholung war eine positive Reaktion auf die Auffangnetze der Notenbanken und Regierungen. Feuerwehr und Notarzt sind praktisch vor Ort und alle sind zuversichtlich, dass sie ihr Handwerk verstehen. Die Unfallstelle ist aber noch längst nicht aufgeräumt. Die Börsen können dieses Jahr nochmals die Tiefstände testen, wir sind aber zuversichtlich, dass wir am Jahresende über dem jetzigen Stand sein werden.

Macht es Sinn, seinen Fondssparplan zu behalten?
Auf jeden Fall. Häufig kommt es in Krisen am Markt auch zur Untertreibung. Firmenanteile können dann mehr wert sein, als man dafür bezahlen muss.

Es könnte aber sein, dass einzelne Aktien aufgrund von Unternehmensinsolvenzen komplett verschwinden. Wie sollten Anleger dann reagieren?
Jetzt ist es besonders wichtig, das Depot ausreichend breit zu streuen. Und es ist auch die Stunde der Fondsmanager, die nun am besten entscheiden können, welche Unternehmen zu den Gewinnern und welche zu den Verlierern der Krise gehören.

Welche Spuren wird denn die Corona-Pandemie insgesamt bei der Wirtschaft hinterlassen?
Wir rechnen dieses Jahr für Deutschland mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von mehr als fünf Prozent. Damit liegen wir in der Mitte der Extremschätzungen. Der Internationale Währungsfonds erwartet sieben Prozent, der Sachverständigenrat der Bundesregierung drei Prozent. Der Rückgang ist größer als bei der Finanzkrise, hoffentlich aber auch kürzer. Mit der schrittweisen Zurücknahme von Einschränkungen sollte sich die Aktivität auch wieder deutlich erhöhen, so dass das Wachstum im nächsten Jahr über vier Prozent liegen kann.

Steht die Globalisierung vor dem Aus?
Die Globalisierung erhält einen weiteren Dämpfer. Allerdings verstärkt das Coronavirus hier lediglich bestehende Trends. Es gab ja schon vor Corona Zweifel an der uneingeschränkten globalen Arbeitsteilung insbesondere durch die politischen Differenzen zwischen den USA und China. Durch die Corona-Krise rückt die Welt nochmals ein Stück weiter auseinander.

Wie lange wird die Corona-Pandemie nachwirken?
Produktionsbänder anzuhalten ist leicht, sie wieder zu starten viel schwieriger. Um in Deutschland eine Maschine oder ein Auto herzustellen, sind Vorprodukte aus ganz Europa und der Welt nötig. Es wird ein Puzzlespiel, die Produktion wieder in Gang zu bringen. Dies wird uns den Rest des Jahres beschäftigen. Ich erwarte, dass wir am Jahresende rund 80 Prozent der gegenwärtigen monatlichen Produktionslücke wieder geschlossen haben könnten. Die Steigerungsraten werden anfangs sehr hoch sein, die letzten Meter sind deutlich schwieriger. Bei der gesamten Wirtschaftsleistung haben wir nach unseren Berechnungen erst Ende 2021 wieder das Niveau von vor der Corona-Krise erreicht.

Was wird sich bei der Wirtschaft durch die Corona-Krise verändern?
In einigen Branchen kann es schon dauerhafte Änderungen geben. Geschäftsreisende werden sich künftig wohl häufiger fragen, ob sie wirklich für jeden Termin nach London oder New York fliegen müssen, oder ob sich das nicht auch mit Videokonferenzen erledigen lässt. Demgegenüber kann ich mir vorstellen, dass im Tourismus die ursprüngliche Nachfrage wieder erreicht wird, wenngleich das noch sehr lange dauern dürfte. Die Industrie wird die Produktionssicherheit höher gewichten und zum Beispiel wieder auf größere Lager setzen. Und die Produktion einiger Branchen, nicht nur die der Pharmabranche, wird aus Asien nach Europa zurückverlegt.